Post by Anderas KleinEs sind nicht nur optische Gründe (wobei ich für die Sonderregelung
bei den weiblichen Soldaten auch kein Verständnis habe). Den
Unterschied merkt man spätestens, wenn man mal ein paar Tage im
Gelände war (ohne die Möglichkeit zum Duschen). Dann werden lange
Haare ein Problem.
Es sind in Friedenszeiten optische Gründe. Es gibt kaum einen
vernünftigen Grund während der Arbeit eines Soldaten Kurzhaarschnitt zu
tragen, wohlgemerkt in Friedenszeiten.
Die Niederländer haben es, es ist nun schon einige Zeit her,
vorgemacht, übrigens meistens ohne Haarnetze.
Die Bundeswehr, wie jede Armee, ist ein eigenes Häuflein, mit eigenen
Sitten und Gepflogenheiten, und einer eigenen Anschauung, wie ein
Soldat daherzukommen hat.
Seinerzeit, als die Haarnetze eingeführt wurden, war dies ein
Eingeständnis an die rebellische Jugend. Man wollte schlicht die
Akzeptanz für die Bundeswehr wegen einer Lapalie, in einer Zeit, in der
"Make Love, No War" in aller Munde war, nicht noch mehr schmälern.
Als die Flower-Powerbewegung am erschlaffen war, wurde das Haarnetz
flugs wieder herausgenommen.
Im Prinzip ging es tatsächlich darum, in der breiten Bevölkerung das
Bild eines "gepflegten" Soldaten zu vermitteln. Tatsächlich war und es
ist wahrscheinlich auch heute noch so, dass in der Armee, und nicht nur
dort, lange Haare per se als liederlich gelten.
Mehr als einmal hatten mich während Reservistenübungen Menschen aus der
Bevölkerung angesprochen: "Sie, Herr + Dienstgrad, wos is denn das für
a langzottata Sauhaufen, den Sie da führen? Die soll'n uns verteidiga?"
Ich hatte daraufhin auf einen der Langhaarigen gezeigt und dem
Auskunftersuchenden in etwa gesagt: " Sehen Sie, der da ist mein bester
Mann, hat sich freiwillig zur Wehrübung gemeldet, schießt aus 300mtr
einer Fliege das Auge aus. Er ist Installateur, hat eine eigene Firma
mit 10 Mitarbeiter und wenn er Ihnen Ihr verstopftes Klo ausräumt und
alles wieder funktioniert, dann sind schauen sie doch auch nicht auf
die Haare, sondern auf die Fähigkeiten."
Verständnis habe ich jedoch in den Augen des Fragenden nicht wirklich
gefunden.
Es wird assoziiert, lang = links = Kommunist/Anarchist/Terrorist und
andere -isten
Gesagtes gilt übrigens auch z.B für Polizei und BGS.
Interessanterweise habe ich eine ähnliche Einstellung während vieler
Gespräche, ich war in Nebenfunktion u.a. in der Öffentlichkeitsarbeit
tätig, auch bei Althippies gefunden, die nun im Kurzhaarschnitt, Anzug
und Krawatte ihren Tätigkeiten nachgegangen sind.
Das gerade in epischer Breite Erzählte sollte nur zeigen, dass es
anscheinend in der breiten Bevölkerung ein tief verwurzeltes Vorurteil
gegen Langhaarige gibt. Insofern war oder ist der Bart- und Haarerlaß
tatsächlich sinnvoll.
Ein weitere und weitaus wichtigerer Grund ist ein psychologischer, der
im Zusammenhang mit der gesamten Ausbildung gesehen werden muß.
Ich nenne es Weichklopftaktik, mit dem Ziel, Gehorsam, Disziplin und
Ordnung zu erreichen.
Der junge Soldat tritt in eine für ihn vollkommen neue Welt ein. Es
gilt ihn zu formen im Sinne des Soldatenhandwerkes.
Die Schur ist eine der Inititiationsriten, um ihm zu zeigen, wo er
steht. Das gilt im übrigen auch für andere "Vereine" wie Klosterschüler
etc.
Man will damit bewußt Brücken zu seinem herkömmliche Leben abbrechen,
in der Hoffnung diesen Menschen dann leichter "formen" zu können.
Es gibt hierzu neben dem Kahlschlag auf oberster Ebene auch noch
anderer solcher Riten wie Formalausbildung, Bettenbau (der an sich
vollkommen unlogisch und unpraktisch ist) etc.
Es bestreitet keiner, dass Kurzhaarfrisuren praktischer sind, ich bin
der Meinung, dass für den länger im Felde lebenden Soldaten eine Schur
notwendig ist. Ich spreche hier aber nicht von 2-wöchigen
Pipifax-Übungen. Natürlich gibt es Verwendungen, auch in
Friedenszeiten, bei denen tätigkeitsbedingt kurze Haare, am besten
keine, sinnvoll sind z.B. den Kampfschwimmern, Aber dorthin wird ein
Langhaariger eh nicht hingehen wollen, und wenn, dann kommt er
freiwillig mit Kurzhaartracht.
Generell halte ich jedoch den Haar- und Barterlaß für
grundgesetzwidrig. Ich weiß, dass das die Karlsruher Damen und Herren
anders sehen, aber diese drehen ihre Fähnchen auch oftmals nach dem
Wind (siehe Urteile über den Einsatz der BW unter Blauhelmkommando).
Grüße
Harald