Post by Stefan Backso ganz unwidersprochen kann ich einige Deiner Punkte nicht stehen lassen
Wir können ja über alles reden. :-)
Post by Stefan Back[Bismarck-Klasse]
* Völlig veraltetes Panzerungskonzept (tief liegender
"Schildkrötenpanzer" und darüber liegendes leichtes Vorpanzerdeck statt
kompaktem, hoch reichendem Panzerkasten)
Also diesen Punkt kann man sehr kontrovers diskutieren. Die Panzeranordung
entspricht den Umwelbedingungen des Schiffs. Die deutschen Schiffe waren mit
den Wetterbedingungen der Nordsee und des Nordatlantiks im Hinterkopf gebaut
worden. Das heißt keine Sichtweiten von 35km wie im Pazifik, sondern dichte
Regenböen, Nebel usw., die die üblichen Kampfentfernungen auf unter 25km
drücken, oft sogar eher in Richtung 15km.
Auch unter diesen Bedingungen ist der Kasten-Panzer überlegen. Die
Deutsche Marine plante nach den aus Kaisers Zeiten überkommenen Regeln.
Keine andere Marine der Welt baute damals noch Schildkröten-Panzer. Die
Briten und Franzosen hatten die selben Einsatzgebiete, aber waren längst
bei anderen Konzepten angekommen. Auch die deutschen "Panzerschiffe"
hatten keine Schildkröte.
Post by Stefan BackAuf diese Entfernungen ist die Panzerung der
Bismarck sogar sehr effektiv. Gerade die Kombination aus schwerem
Seitenpanzer und dahinterliegender Panzerdecksböschung ist auf unter 20 km
praktisch nicht zu durchschlagen, auch von den 46cm Geschützen der Yamato
nicht.
Das trifft definitiv nicht zu. Es gibt hierzu sehr detaillierte
Untersuchungen von amerikanischer und britischer Seite nach dem Krieg.
Der prizipbedingt (wegen der großen Panzerflächen) relativ schwache
Seitenpanzer der Bismarck war schon von den amerikanischen und
britischen 40,6 cm-Geschützen zu durchschlagen. Besonders fatal am
Bismarck-Konzept ist aber die Anfälligkeit gegen Steilfeuer auf große
Entfernungen, und vor allem gegen Flugzeugbomben - und die Tatsache,
dass das ziemlich tiefe Lage des Hauptpanzerdecks einige wichtige
Einrichtungen ungeschützt ließ.
Post by Stefan BackWo die Bismarckklasse Defizite hatte, ist die Panzerung der schweren
Artillerie. Eine Frontplatte von 360mm und die abgeschrägte Front mit 180mm
(oder warens 220mm?) waren leider zu dünn.
Das waren aber schon die stärksten Panzerplatten des ganzen Schiffs ...
Post by Stefan BackHier wäre eine Front von 450mm
bzw. eine andere Turmform mit senkrecht stehenden Fronten besser gewesen,
Nein, stärkere Schrägungen schützen besser. Und woher hätte man das
Gewicht für noch mehr Panzer nehmen sollen? Der Entwurf war ja schon
jenseits aller offiziellen Limits.
Post by Stefan BackAusgehend von http://www.navweaps.com/index_nathan/metalprp2002.htm würde
ich eine Zweitklassigkeit des deutschen Panzermaterials nicht unterstellen.
Dieser Text ist nur für werkstofftechnische Fachleute wirklich
verständlich. Da muss man sehr genau lesen.
Post by Stefan BackDie Unterschiede zwischen den in Deutschland, England und den USA
verwendeten Materialen waren eher gering.
Unterschiede von wenigen Prozent sind bei dem Okunschen Bewertungssystem
recht beträchtlich, denn selbst ungehärteter Schiffbaustahl hat da schon
eine Qualität von 0,9. Da ist dann der Unterschied zwischen Krupp KC n/A
(dem Standard-Panzermaterial auf Bismarck, modernere Sorten waren für
dicke Platten nicht verfügbar) mit einer Bewertung von 0,96 und den
besten britischen und US-Sorten mit 1,0 schon sehr signifikant.
Man muss ferner neben diesem theoretisch-abstrakten Wert auch einige
andere wichtige Merkmale betrachten. Krupp hat bis 1945 an den
veralteten Prüfmethoden nach einer Norm von 1894 festgehalten, in denen
die moderneren Geschosskonstruktionen wie Kappen-, Hohlspitz- oder
Brisanzgeschosse mit Verzögerungszünder gar nicht vorkamen. Resultat war
ein deutlich unbefriedigenderes Verhalten gegen schwere Geschosse als
bei ausländischen Sorten. Ich zitiere einige Stichworte aus der von dir
genannten Seite: "Stark schwankende Qualität, einige Platten kaum besser
als der alte Stahl von 1894", "Platten mittlerer Dicke sehr
unzuverlässig", "Schweißnähte anfällig gegen Wasserstoffversprödung".
Auffällig bei den deutschen Panzerstählen ist auch die relativ geringe
Bruchdehnung und die geringe Dicke der Übergangszone, die zu
entsprechend schlechtem Verhalten bei Volltreffern führte. Typisch für
deutsche Panzerplatten war das Abspringen großer Materiallinsen, die
dann innen als Geschosse durch den Kampfraum sausten, obwohl die Platte
nicht durchschlagen wurde.
Post by Stefan Back* Bewaffnungskonzept veraltet, daher platz- und gewichtsraubend (schwere
Flak und mittlere Artillerie getrennt anstatt in Mehrzwecktürmen
vereinigt, schwere Artillerie in Doppeltürmen statt Drillingstürmen)
Eine Bismarck im Atlantik muß leider ohne Begleitzerstörer auskommen. Und
genau da ist es wichtig eine starke Mittelartillerie zu haben. Die 15cm
Geschütze haben gerade gegen ungepanzerte Ziele wie Zerstörer eine
wesentlich bessere Wirkung als bspw. die amerikanischen 12,7cm.
Ein Zerstörer würde von der schweren Artillerie aus dem Wasser geblasen
werden, und die Trefferwirkung von 12,7 cm ist gegen solche Ziele völlig
ausreichend. Dass die 12,7 cm wegen der schnelleren Schussfolge
letztlich sogar die größere Wirkung im Ziel als die 15 cm hatte,
erlebten ja die beide Kaliber tragenden deutschen Zerstörer im 2.
Weltkrieg laufend. Witzigerweise war in den Anweisungen zum Unternehmen
"Rehinübung" (also der letzten Fahrt der Bismarck) ausdrücklich
befohlen, ungepanzerte Ziele vorrangig mit der 10,5 cm-Flak zu
beschießen, wegen der schnelleren Schussfolge und um Artilleriemunition
zu sparen.
Die 15 cm-Mittelartillerie war ein Relikt aus den taktischen
Anschauungen der Kaiserlichen Marine, die aus der Seeschlacht von
Tsushima 1905 (!) die Lehre gezogen hatte, dass es hilfreich sei, den
Gegner "mit einem Hagel von Geschossen zu überschütten". Schon bei der
Skagerrakschlacht wurde aber auf Entfernungen gekämpft, wo die
Mittelartillerie kaum noch Wirkung gegen gepanzerte Ziele erzielen konnte.
Post by Stefan Back* Schwere Artillerie ausländischen Geschützen ballistisch unterlegen
Erklär bitte mal genauer was Du damit meinst. Die 38cm der Bismarck hatten
zwar verhältnismäßig leichte Geschosse, dafür aber eben mit höherer
Mündungsgeschwindigkeit. Das begünstigt das Durchschlagen der
Seitenpanzerung des Gegners, aber verschlechtert die Durchschlagsleistung
gegen Decks.
Und seltsamerweise erzielten alle deutschen Schiffe ihre Erfolge
hauptsächlich mit Ferntreffern durch die Decks. Allein das widerlegt
schon das deiner Argumentation zu Grunde liegende Konzept. Außerdem ist
für die Durchschlagskraft gegen Panzerungen das Geschossgewicht immer
noch das Hauptkriterium, und genaud aran fehlte es den auf
Konstruktionen von 1914 zurück gehenden deutschen Schiffgeschützen.
Zudem hatten sie wegen ihrer hohen Mündungsgeschwindigkeit sehr starken
Verschleiß der Seelenrohre, und damit schon sehr bald eine deutlich
zunehmende Streuung.
Die amerikanischen 16-Zöller neuer Bauart hatten bei gleicher Reichweite
ein 70% höheres Geschossgewicht, eine geringere Streuung, und dazu auch
noch wesentlich modernere und durchschlagskräftigere Geschosskonstruktionen.
Sowohl beim Schutz- als auch beim Waffenkonzept geht es letztlich nicht
darum, ob die Konstrukteure sich dabei bestimmte Dinge gedacht haben.
Entscheidend ist die Bewertung zum Einsatzzeitpunkt. Und da gab es nun
mal Radar, Flugzeuge mit schweren Bomben usw. Die Bismarck war hier
definitiv britischen und amerikanischen Neubauten mit deren
zukunftssichereren Konzepten unterlegen.
Post by Stefan BackVergleich bitte einmal die Durchschlagsleistungen der deutschen 38cm/L52 und
dem englischen 16" Mk I, das auf der Nelson/Rodney eingebaut war.
Oh oh ... Das ist aber ein schiefer Vergleich. Das sind ja relativ alte
Hobel.
Da solltest du doch lieber mal Vergleiche mit zeitgenössischen
Geschützen heranziehen. Wie wäre es mit der für die Lion-Klasse
vorgesehenen britischen 16" Mk III?
<http://navweaps.com/Weapons/WNBR_16-45_mk2.htm>
Das sieht schon anders aus, nicht wahr?
Und dann betrachte man sich die amerikanische 16" Mk 7:
<http://navweaps.com/Weapons/WNUS_16-50_mk7.htm>
Da sehen die deutschen Kanonen in allen Kriterien ganz arm aus.
Post by Stefan Back* Wenig leistungsfähige und extrem schwer servitierbare Feuerleitanlage
Das mit wenig leistungsfähig sag bitte den Überlebenden der Hood. Oder der
Besatzung der Glorious, deren Schiff mit Hilfe einer wenig leistungsfähigen
Anlage auf über 24km getroffen wurde. Zusammen mit dem Treffer der Warspite
auf der Cesare war dies der auf die größte Entfernung erzielte Treffer im
2.WK auf ein bewegtes Schiff.
Man muss sowas immer relativ sehen. Diese schnellen Treffer auf sehr
große Entfernungen sind vor allem einer hervorragenden Ausbildung der
Besatzungen und den sehr genauen Entfernungsmessgeräten zu verdanken.
Und nun sehen wir uns mal die relativ schlechten Schießleistungen
deutscher Großschiffe bei längeren Gefechten an. Da sieht es anders aus.
Bismarck ist in ihrem Endkampf trotz anfänglich intakter Feuerleit- und
Waffenanlage zusammengeschossen worden, ohne einen Wirkungstreffer zu
landen. Scharnhorst wurde im Nordmeer von Duke of York ebenso
zusammengeschossen. Beim Kanaldurchbruch schafften es Scharnhorst,
Gneisenau und Prinz Eugen zusammen nicht, drei auf Torpedoschussweite
heran gekommene britische Zerstörer zu versenken.
Dann betrachten wir einmal die Geräte selber. Das deutsche
Raumbild-Entfernungsmessgerät brachte bei ausgeruhtem und ausgebildetem
Bediener Spitzenleistungen - aber nur 10% der Rekruten hatten überhaupt
einen ausreichenden Sehsinn, um als Bediener in Frage zu kommen. Ohne
Ausbildung war mit dem Gerät kaum etwas auszurichten. Und schon nach
kurzer Zeit ließ die Messgenauigkeit infolge Ermüdung des Bedieners
drastisch nach. Die Kreiselstabilisierung der Flakleitstände war so
sensibel dass die Dinger schon bei Windböe wegkippten oder wenn jemand
aufstieg. Zeit zum Hochfahren: 30 Minuten. Die Feuerleitanlage selbst
bestand aus einem sehr heterogenen System von mechanisch arbeitenden
Geräten extremer Komplexität. Der Hersteller des Haupt-Ballistikrechners
hat einmal stolz verkündet, sein Gerät sei so toll dass es nur ganz
wenige Leute gebe, die es konstruieren und bauen könnten. Resultat: An
Bord war das Ding mangels ausreichend kompetenter Leute praktisch nicht
zu justieren und zu reparieren, man musste beten dass es hielt. Die
Vielzahl der Schnittstellen zwischen den Geräten machte das System ganz
von der Zuverlässigkeit der Bediener und Übermittler anhängig.
Dem gegenüber hatte die US-Navy damals schon standardisierte elektrische
Analogrechner mit elektrischer Signalübertragung eingeführt.
Post by Stefan BackWenn die Bismarck mit der dritten Salve deckend im Ziel liegt, auf einen
Gegner der sich mit hoher Fahrt in recht spitzem Winkel nähert, wie mies muß
dann die Feuerleitanlage sein? ;-)
Ja ja, der Hood-Mythos ist nicht auszurotten ... Aber die Briten haben
den ersten Nahtreffer sogar noch vor den Deutschen gelandet. :-p
Man muss so eine Bewertung immer vor dem Stand der Technik machen. Die
deutschen Anlagen waren nicht schlecht, aber eben im internationalen
Vergleich nicht mehr auf dem Stand der Technik, personalintensiv, und
vor allem eben sehr anfällig gegen Störungen. Nochmals: Die
unbestrittenen Spitzenleitungen der deutschen Schiffsartillerie
hinsichtlich schneller Zieleindeckung geht hauptsächlich auf exzellente
Schießausbildung zurück. In länger dauernden Gefechten hat sich die
Marine dagegen nicht so mit Ruhm bekleckert.
Post by Stefan BackVergleiche mit dem was die Amis um 1944/45 hatten sind nicht ganz
angebracht; hier hat die Technik schon ziemliche Fortschritte in kürzester
Zeit gemacht; bzw. auf deutscher Seite wurde die Entwicklung hinsichtlich
Radar nicht weitergetrieben. Aber für ne optische Feuerleitung kann die
Anlage auf der Bismarck nicht wirklich schlecht gewesen sein
Betr. Zieloptik siehe oben.
Aber die Feuerleitung lebt längst nicht nur von den Ortungs- und
Messeinrichtungen. Die US Navy und auch die Briten waren schon vor dem
Krieg feuerleittechnisch weit voraus.
Post by Stefan Back* Sehr unzuverlässige Maschinenanlage
Wann hatte die Bismarck oder die Tirpitz Maschinenprobleme? Wer mit
Maschinenproblemen zu kämpfen hatte waren die schweren Kreuzer, aber nicht
die Schlachtschiffe.
Naja. Scharnhorst und Gneisenau hatten bei ihrem Atlantikunternehmen
laufend Maschinenstörungen, die sogar zum Abbruch des Unternehmens
zwangen. In Brest mussten erst mal die Kessel komplett neu berohrt werden.
Bei Bismarck und Tirpitz waren die Anlagen ohne Frage schon
ausgereifter, dennoch gab es laufend irgend welche Ausfälle. Tirpitz war
in ihren letzten Monaten in Norwegen wegen Maschinendefekten kaum noch
einsatzfähig.
Post by Stefan Back* Zu geringer Fahrbereich für Atlantikkrieg ohne Stützpunkte
Hast Du da genauere Zahlen bzw. Vergleiche mit der KGV oder Richelieu? Die
Reichweite der Bismarck ist mir eigentlich nie negativ aufgefallen, hab noch
was von etwa 8000sm bei 16 Kn im Kopf.
Stimmt. Aber das reicht nun mal nicht, wenn man ohne Tross und
Stütpunkte in den Atlantik soll. Die Bismarck hatte den kleinsten
Fahrbereich aller deutschen Großschiffe.
Die Gegner hatten da ganz was anderes zu bieten, plus bessere Logistik:
King George V: 15.000 sm / 10 kn
6.300 sm / 20 kn
Iowa: 15.000 sm / 12 kn
Richelieu sieht mit 5.500 sm/18 kn nicht so toll aus, aber die war ja
auch nicht für den Atlantik gebaut.
Post by Stefan Back* Diverse konstruktive Schwachstellen im Schiffskörper
Wo? Weil das Heck abgerissen ist beim Untergang? Diese Stelle war bereits
durch den Torpedotreffer geschwächt und ist erst durch die Belastung beim
Untergang gerissen. Schwachstellen im Schiffskörper daraus abzuleiten würde
ich nicht.
Interessanterweise gab es reihenweise Fälle, wo deutsche Schife genau an
der Stelle ihr Heck verloren: Lützow 1940, Bismarck 1941, Prinz Eugen
1942, Hipper 1944.
Weitere Schwachstellen gefällig?
* Hydraulikanlage und Hauptkabelkanäle über dem Panzerdeck angeordnet
* Fehlende Querschaltungen in der Maschine, daher bereits Totalausfall
ganzer Turbinen beim Treffer in einzelne Leitungen
* Vorne zu tief gehend (immerhin nicht so schlimm wie bei der
Scharnhorst-Klasse)
* Wallgangsschotts rissgefährdet
Post by Stefan BackAch ja, da oben schon mal Rodney/Nelson erwähnt waren: Auf diesen Schiffen
war es nicht üblich Vollsalven zu feuern, da die Schiffsverbände Probleme
mit den Rückstoßkräften hatten.
Das ist eine nicht den Tatsachen entsprechende Legende. Man feuerte mit
wenigen Zehntelsekunden Zeitverzug des Mittelrohrs, weil man heraus
gefunden hatte, dass die Geschosse dann stabiler flogen (Turbulenzen des
Mündungsfeuers der Nachbarrohre).
Post by Stefan BackJa, die Richelieu fällt oft unter den Tisch. Eine sehr interessante
Konstruktion, wobei mir aber gerade das Hauptmerkmal, die Vierlingstürme, zu
riskant wären.
Ja, die waren sehr umstritten. Mir gefällt das Schiff deswegen rein
optisch nicht. ;-)
Joachim